Das Alte AKH ist ein geschichtsträchtiger Ort. Heute in weiten Teilen als Campus genutzt wurde es Ende des 17. Jahrhunderts als Soldatenspital gewidmet und beherbergte von 1784 bis 1994 das erste Allgemeine Krankenhaus Wiens. Im sogenannten Narrenturm war die erste psychiatrische Klinik Kontinentaleuropas untergebracht. Aufgrund der vielen Strukturen im Mauerwerk hatten sich dort zahlreiche Mauersegler angesiedelt. „Durch eine Renovierung vor einigen Jahren sind diese Nistmöglichkeiten aber leider verschwunden“, sagt die Raumplanerin Isabella Klebinger. Sie ist aktiv geworden und setzt sich für die Schaffung von Lebensräumen mitten in der Stadt ein. „Ich will eine Vision von einer Stadt aufzeigen, in der die Arten zusammenleben können. Wir wollen auf verschiedenen Ebenen einen Ort so gestalten, dass er für viele Arten ein toller Lebensraum ist. Gemeinsam mit dem Verein Öko Campus Wien versuchen wir, Institutionen in meine Arbeit einzubinden und diese zu überzeugen, sich auch für andere Arten einzusetzen. Meistens sind es große Aushandlungsprozesse, das ist sehr spannend!“
Gemeinsam mit dem Denkmalschutz
Der Mauersegler baut seine Nester unter anderem in Mauerspalten oder in Hohlräumen dicht unter Dächern. Um wieder neue Nistmöglichkeiten herzustellen, brauchte es für die alten Gebäude des AKH auch das Amt für Denkmalschutz. „Der Denkmalschutz musste mitgedacht werden, besonders am Narrenturm, der als historisch und global einzigartiges Gebäude die höchste Kategorie im Denkmalschutz hat“, erläutert Klebinger. „Das Amt für Denkmalschutz ist sehr positiv für Artenschutzprojekte eingestellt. Wir haben gemeinsam eine gute Lösung für den Mauersegler gefunden.“ 15 neue Brutplätze konnten für den Mauersegler am benachbarten Gebäude der Gerichtsmedizin Sensengasse bei der thermischen Sanierung integriert werden. „Von außen sind nur die Einfluglöcher ersichtlich. Um Jungtiere auf der Suche nach einem Brutplatz anzulocken, werden mit einer solarbetriebenen Klangattrappe sogenannte ‚Lockrufe’ der Mauersegler abgespielt.“
Gebäudesanierungen als Fluch und Chance
Aber auch für Fledermäuse im Gebäudekomplex des Alten AKH macht sich Klebinger stark. Viele der in Städten vorkommenden Fledermausarten sind auf Brutmöglichkeiten in und an Gebäuden angewiesen. Besonders Spalten in Mauern und Dachböden, aber auch Keller und Gewölbe werden gerne genutzt. Bei Gebäudesanierungen wird oft wertvoller Lebensraum für die geschützten Tiere unnötig und unwissentlich zerstört. Gerade wenn ohnehin Arbeiten an der Fassade geplant sind, können Ersatzquartiere für Fledermäuse und andere Arten mit relativ geringem Aufwand an Fassaden angebracht und in thermische Sanierung etwa gleich mit integriert werden.“ Die Tiere leben bereits auf dem Campus. Im Rahmen von Forschungsprojekten und Monitoring wurden mit einem „Bat-Detektor“, einem Gerät, das die Ultraschallrufe der fliegenden Säugetiere aufzeichnet, bereits über 700 Fledermausrufe in drei Nächten verzeichnet – das waren die meisten in ganz Wien zum damaligen Zeitpunkt. „Die Chancen stehen also gut, dass die Kästen bald bezogen werden“, ist Klebinger zuversichtlich. Es sollen nun insgesamt über 40 Fledermauskästen im Projekt „Urbane Biodiversität am Narrenturm“ aus Holzbeton auf Fassaden im Areal des Alten AKH montiert werden. Zwei verschiedene Arten von Kästen werden auch farblich an die denkmalgeschützten Fassaden angepasst und in verschiedenen Ausrichtungen aufgehängt, um so unterschiedliche Habitatansprüche abzudecken. Das Projekt wird aus dem Biodiversitätsfonds des Klimaschutzministerium finanziert.
Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht
Isabella Klebinger arbeitet künstlerisch und ökologisch: „Mir ist es wichtig, Geschichten zu erzählen und Fragen zu stellen. Wie engagiert man sich? Was für ein Mensch möchte man sein? Wie setze ich mich in Kontakt mit meiner Umwelt? Wo kann ich mich einsetzen und diese Rolle wahrnehmen? Ich sehe mich immer in Verbindung mit meiner Umwelt.“ Mit diesem Zugang konnte sie für die Umsetzung dieses Projekts viele Partner gewinnen: den Verein Öko Campus Wien, das Naturhistorische Museum, die Uni Wien, die MedUni Wien, die Naturschutzabteilung der Stadt Wien, die Bundesimmobiliengenossenschaft, das Bundesdenkmalamt sowie die Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich. Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht. Dazu Klebinger: „Eigentlich könnte das Projekt überall umgesetzt werden – Fledermäuse und Mauersegler gibt es fast überall. Und wenn es nicht Mauersegler sind, dann Mehlschwalben oder Hausrotschwänze.“ Und ergänzt: „Man könnte Gebäude auch gleich so bauen, dass sie für diese Tiere auch Lebensraum sind. Oder eben nachrüsten - denn Bestand gibt es dafür genug!“