„Die Biodiversität in der Kulturlandschaft hat viele Feinde, die alle menschlich sind. Im Garten ist es oft der Rasenroboter und bei uns am Land ist es die intensive Landwirtschaft mit ihren Herbiziden“, sagt Schmid. Auf jenen Flächen, die für den menschlichen Nutzen eher uninteressant sind, wie etwa Brachflächen, finden sich oft wahre Schmuckstücke von Pflanzen. Etwa die Wilde Karde. „Die Karde ist ein Tausendsassa der Biodiversität, der uns eigentlich in der Kulturlandschaft auf Schritt und Tritt begleiten würde. Wenn man sie nur lässt.“
Pflanze der vergessenen Lebensräume
Die Karde braucht keine sterilen Lebensräume, sondern nur ein bisschen Platz. Deshalb bezeichnet sie Schmid auch als „Pflanze der vergessenen Lebensräume“. Sie lebt an offenen Standorten, die stark vom Menschen geprägt und meist nährstoffarm und trocken sind. Dazu zählen etwa Schutthalden, Bahndämme, Böschungen oder sogenannte Gstätten. „Die Karde hat keine hohen Ansprüche, es kann auch wechselfeucht sein. Hauptsache aber sonnig“, so Schmid. So gut wie nie zu finden ist sie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, da sie eine zweijährige Pflanze ist. Im ersten Jahr bildet sie nur eine kräftige Rosette – viel größer als zum Beispiel die Rosette des Löwenzahns. Im zweiten Jahr kommt dann erst der bis zu zwei Meter hohe Blühtrieb, der für die Vermehrung sorgt. Wird sie also jährlich (mehrmals) geschnitten, verschwindet sie von dem Standort.
Tausendsassa fördert die Artenvielfalt
Was inzwischen in Vergessenheit geraten ist: Die Pfahlwurzel der Karde war früher auch für den menschlichen Konsum wichtig. Sie wurde gegen Hautprobleme und Magenbeschwerden eingesetzt. Aber Achtung: Es besteht eine Verwechslungsgefahr mit Disteln. Besonders von Nutzen ist die Wilde Karde aber für zahlreiche Tierarten, und das über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg. Im ersten Jahr bildet sich die imposante, salatartige Rosette, die Nährstoffe und Licht sammelt. Diese bietet für Wildtiere wie Rehe und Feldhasen schmackhafte Nahrung im Winter – trotz der Stacheln. Im nächsten Frühjahr bildet sich dann der Blühtrieb. Die Pflanze blüht ringartig. Das heißt, sie beginnt in der Mitte zu blühen und die Blüten kommen dann der Reihe nach, bis sie auch ganz oben und unten blüht. Die Blüten haben lange, nektarreiche Röhren, die gerade für große Hummeln und Schmetterlinge attraktiv sind. Auch die Holzbiene liebt sie. Die verwachsenen Blätter, in denen sich selbst im Hochsommer Wasser sammelt, sind wichtige Tränken für Insekten und kleine Vögel. Und nicht zuletzt bieten die hohlen, sich zersetzenden Stängel im Herbst einen wertvollen Lebensraum und Schutz vor Kälte für alle möglichen Krabbeltiere. „Es ist wichtig, die Blütenstände auch dann noch stehen zu lassen, damit die Insekten ihre verschiedenen Entwicklungsstadien durchlaufen können und der Stängel verholzt. Danach bricht die Pflanze von selbst zusammen“, betont Schmid. In offenen Lebensräumen, wo es keine Bäume gibt, gehören die hohen Stängel zu den wichtigsten Ansitzwarten für Vögel, die sich auf Mäusejagd begeben. Und die Samen dienen wieder als Futter für zahlreiche Arten.
Die Karde in den eigenen Garten einladen
Es ist ganz einfach, die Karde im Garten wachsen zu lassen. Eine Handvoll Samen reicht für Hunderte Exemplare. Den Samen findet man meist an passenden Standorten in der freien Natur. „Wenn ich ab August, September spazieren gehe und eine Karde sehe, dann muss ich sie nur kurz mit einem Handschlag begrüßen und schon habe ich ausreichend Samen. Genug für eine ganze Siedlung“, erklärt der Biologe. Es ist also ganz leicht: Ein paar Samen von August bis Oktober oder im darauffolgenden Frühjahr auf einen lockeren, offenen Boden werfen. Den Rest macht die Karde dann von selbst. Die Samen sind auch im Handel zu bekommen. Besser ist es jedoch, sie vor der eigenen Haustüre zu sammeln. Dann ist die Pflanze bereits an die Region angepasst.