Wenn Alexander Ernst von den Anfängen erzählt, spürt man sofort: Dieses Projekt liegt ihm am Herzen: „Die Naturschutzflächen im östlichen Weinviertel waren größtenteils verbuscht, verbracht – die Reste, die nicht mehr maschinell bearbeitet werden konnten. Ich habe mir die Flächen nach und nach angesehen. Es war klar: Hier kann man Naturschätze bergen. Und der Schlüssel zu mehr Artenvielfalt ist die Beweidung!"
Der Anstoß: von Einzelinitiative zur regionalen Bewegung
Was mit privaten Beweidungsversuchen begann, wurde schnell zur kollektiven Aufgabe. Die Herausforderungen im östlichen Weinviertel sind groß: Es gibt kaum mehr Viehbetriebe, viele Grünflächen sind verschwunden. Private Beweider:innen waren schwierig zu finden, zu oft fiel jemand aus, die Flächen verbuschten immer mehr.
„Wir wollten etwas Langfristiges schaffen, das nicht an einzelnen Personen hängt. Leute sind verhindert – aber eine Organisation bleibt. Also haben wir eine Machbarkeitsstudie gemacht und gemeinsam mit dem Regionalentwicklungsverein Leiser Berge eine neue Struktur aufgebaut.“ Finanziert über LEADER und mit Unterstützung von „Blühendes Österreich“, wurde so aus einer Idee ein funktionierender Betrieb.
Tierische Beweider auf Tournee
Heute beweiden die Tiere bereits 85 Hektar Naturschutzflächen – und die Weidetiere sind dabei regelrecht auf Tournee: Über die Sommermonate ziehen sie von Fläche zu Fläche, was den Menschen in der Region gefällt: “Viele freuen sich über das veränderte Landschaftsbild, in dem die Tiere friedlich grasen.“ erzählt Alexander Ernst. Die tierischen Rasenmäher überwintern in ihrem Winterquartier. Dort befindet sich auch der neue Betriebsstandort mit angestellten Mitarbeiter:innen, die sich um Tiere, Logistik und Pflege kümmern.
„Wir haben eine Organisationsstruktur geschaffen, die auf mehreren Schultern basiert. So sichern wir die langfristige Erhaltung der Beweidung.“
Beweidung wirkt: Die Natur dankt es schon
Dank der Beweidung lassen sich schon die ersten botanischen Schätze blicken: Auf beweideten Flächen steigen die Bestände der Großen Kuhschelle – einer markanten Leitart trockener Offenlandschaften – wieder an. Auch die Schwarze Kuhschelle zeigt eine erfreuliche Entwicklung. „Seit wir mit der Beweidung begonnen haben, beobachten wir einen deutlichen Anstieg der Population“, so Ernst.
Besonders eindrucksvoll war das Insektencamp, bei dem 50 Insektenforscher:innen die Artenvielfalt unter die Lupe nahmen. Das Ergebnis: Über 1.500 Arten wurden gezählt – darunter fünf Erstnachweise für Niederösterreich und zwei für ganz Österreich.
Eine Vision für das ganze Weinviertel
Die Vision des Projekts ist ebenso klar wie ambitioniert: Möglichst viele Naturschutzflächen sollen wieder beweidet werden. „Großflächige Beweidung ist unser Ziel. Denn je mehr Flächen wir pflegen, desto mehr Artenvielfalt entsteht. Die Tiere schaffen Trittsteinbiotope – kleine, aber entscheidende Lebensräume.“
Besonders wertvoll ist das bunte Mosaik aus offenen Flächen, Strauchgruppen und einzelnen Bäumen. Durch die Beweidung mit großen Pflanzenfressern entstehen dynamische Lebensräume, die sich laufend verändern – ideale Bedingungen, damit sich vielfältige Tier- und Pflanzenarten von selbst ansiedeln können.
Ein Modell mit Zukunft
„Wilde Weiden“ zeigt, wie regionale Kooperation, professionelle Organisation und ökologischer Weitblick zusammenwirken können. Es ist ein Modell, das nicht nur Tiere, Pflanzen und Landschaftsbilder verändert – sondern auch Menschen verbindet. Der Naturpark Leiser Berge wird damit nicht nur bewahrt, sondern lebendiger denn je.