Die beiden Quereinsteiger haben vor ein paar Jahren ihr bisheriges „bequemes“ Leben mit zwei unterschiedlichen Berufen gegen ein arbeitsintensives, aber sinnvolles Leben als Landwirte eingetauscht. Ihr Beweggrund: Sie wollten selbst etwas machen, um der Klimakrise entgegenzutreten. „Unser Ziel am Hof ist es, ein biologisches Gleichgewicht durch vielfältige Biotope und natürliche Ökosysteme herzustellen und unseren Kundinnen und Kunden das ganze Jahr über abwechslungsreiche, nachhaltige Produkte anzubieten, die auch direkt ab Hof verkauft werden“, sagt Eveline Bruynincx. Durch die Entwicklung eines ganzheitlichen Wassermanagement- und Agroforstsystems wird die Widerstandsfähigkeit der Landschaft erhöht und das Mikroklima positiv beeinflusst, was wiederum die Biodiversität fördert. Der Fokus liegt darauf, Wasser in der Landschaft zu halten und die Bodenfruchtbarkeit durch Humusaufbau zu maximieren.
Wasser spendet Leben
Vor drei Jahren hat das Ehepaar begonnen, auf ihrem Betrieb eine komplexe Wasserlandschaft anzulegen. Bislang gibt es sieben permanent wasserführende Biotope, die alle miteinander verbunden und kaskadenförmig angelegt sind. So wird das Wasser so hoch wie möglich auf der Liegenschaft gehalten. Zusätzlich gibt es einen achten permanenten Teich und zehn bis 15 kleinere, teils temporäre. Diese sind anstatt mit einer Folie nur mit Lehm verdichtet. Ziel war es, das Wasser länger zu speichern. Insbesondere bei Starkregen wird das Wasser aufgefangen und langsamer in den Boden geleitet. Gespeist werden die Becken aus dem Regenwasser der Dächer oder Mulden im Wald, die das Wasser über Kanäle in die Teiche leiten. Das System umfasst eine Wasseroberfläche von insgesamt mehr als 5.000 m² und wurde gemeinsam mit einem spezialisierten Team geplant und umgesetzt. Das gespeicherte Wasser steht dann auch noch in Trockenperioden zur Verfügung. Inzwischen hat sich auch das Mikroklima rund um die Teiche verändert. Die Boden- und Luftfeuchtigkeit sind generell höher und es ist wärmer. Das unterstützt den Humusaufbau. Und nicht zuletzt sind die Übergangszonen zwischen Wasser und Land sehr artenreich. „Sobald das Wasser da war, kamen auch die Tiere. Zuerst die Wassertierchen, dann Amphibien, Insekten wie Libellen und alle möglichen Vögel wie Reiher, Eisvögel oder Wildenten. Wir hatten sogar schon ein Schwarzstorchenpaar am Hof. Die Präsenz von Wasser hat die ganze Landschaft verändert“, erzählt Eveline Bruynincx.
Der Agroforst als essbarer Urwald
Auf dem Nellinggut ist ein Agroforst-System mit einer unglaublichen Vielfalt entstanden. Allein im letzten Winter haben die Besitzer mehr als 13.000 Bäume, Sträucher, mehrjährige Pflanzen und Schlingpflanzen angesetzt. Und es soll weiter verdichtet werden. „Für uns ist die Vielfalt besonders wichtig. In der Natur gibt es keine Monokultur und das macht das System so resilient“, sagt Florian Böhm. Sie ahmen dabei den Aufbau eines optimalen natürlichen Ökosystems, wie das der Urwälder, nach. Verschiedene Nutzkulturen und heimische Pflanzen drängen sich dicht aneinander. Die Grünflächen wurden in multifunktionale, reich strukturierte, großteils essbare Landschaften für Menschen und Tiere umgestaltet. Die Bäume werden regelmäßig aufgeastet, Sträucher beschnitten, Gräser gemäht und Ernterückstände genutzt. Alles zusammen dient als Mulch und organischer Dünger. Das verhindert den Bodenverlust durch Hitze, Wind oder Starkregen und verbessert die Mikrobenaktivität. Dadurch werden Beikräuter reguliert und Nährstoffe konstant zurück in den Boden gebracht. „Für mich sind Bäume unsere Lebensgrundlage. Sie sorgen für ein anderes Mikroklima und halten das Wasser in der Landschaft“, schildert Eveline Bruynincx. Denn Bäume tragen zur Kühlung bei, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und holen mit ihren Wurzeln Wasser aus tieferen Bodenschichten. Durch die dauerhafte Durchwurzelung speichert der Boden immer mehr CO2. Es entsteht eine luftige Krümelstruktur, die die Wasserhaltefähigkeit maximiert.
Mit Mut und Offenheit neue Wege gehen
Das Ehepaar macht Mut, Landwirtschaft anders zu probieren. Dabei richten sie ihren Fokus auf die Schaffung eines möglichst vielfältigen und dadurch höchst produktiven AgroÖko-Systems, auf dessen Grundlage sie abwechslungsreiche, hochwertige Lebensmittel produzieren und den für sie nötigen Cashflow generieren. Diese Vielfalt macht sie auch unabhängig von Ertragsschwankungen einzelner Lebensmittel. Bei Hofführungen vermitteln die beiden anderen Landwirten und Organisationen ihren großen Wissensschatz und bald sollen auch Beratungen angeboten werden. Interessierten empfehlen sie, mindestens ein Jahr lang das eigene Gelände zu allen Jahreszeiten intensiv zu beobachten – etwa, wo es Wasser gibt, wo natürliche Mulchen oder Staunässe. „Es ist entscheidend, sich mit Offenheit auf eine solche Reise zu begeben und den Willen zu haben, sich weiterzuentwickeln – durch Lesen, Lernen, Ausprobieren und das Austauschen mit Gleichgesinnten“, ist Florian Böhm überzeugt.