Eine Arche zwischen Asphalt und Auwald
Zwischen Schnellstraßen und den Hochhäusern der Uno- und der Donaucity entfaltet sich im Wiener Donaupark eine erstaunliche Idylle: eine Wiese voller Leben, durchzogen von Wildblumen, summenden Insekten und umrahmt von alten Bäumen. Hier, auf einem Hektar Fläche, lebt urbane Biodiversität in seltener Dichte – mit 45 dokumentierten Tagfalter- und über 100 Wildbienenarten, Libellen, Amphibien, seltenen Vögeln und sogar Ringelnattern.
Seit 2003 wird die Fläche ökologisch gepflegt. Heute zählt sie zu den artenreichsten innerstädtischen Biotopen Österreichs. Dank der naheliegenden Donauinsel können Arten aus der Lobau als Teil des Nationalpark Donau-Auen auf diese Fläche zuwandern. Das macht das Biotop zu einem wichtigen Trittstein in der städtischen Landschaft. Ein "Trittsteinbiotop", wie es im Fachjargon heißt – ein Zwischenhalt für wandernde Arten. Doch der Klimawandel stellt eine Herausforderung für diese Vielfalt dar: Die Sommer werden heißer, die Böden trockener. Was fehlt, ist ausreichend Wasser.
Durststrecke für die Artenvielfalt
Von den zwei bisher vorhandenen Teichen wurde in den letzten Jahren einer undicht und konnte schließlich nicht mehr befüllt werden. Der zweite ist seicht und schattenlos. Zudem ist die Verdunstung in der Sommerhitze hoch. Ohne Wasseranschluss vor Ort musste daher Wasser zum Auf- und Nachfüllen der Teiche mühsam herangeschafft werden. Für die Vielfalt, insbesondere an Wasserinsekten, Amphibien und im Wasser jagenden Reptilien wurde das zum zunehmenden Risiko.
Viele Insekten brauchen Wasserstellen zum Trinken, Libellen, Wasserwanzen- und -käfer für die Entwicklung ihrer Larven, Amphibien benötigen sie zum Laichen.
90 Quadratmeter für mehr Artenvielfalt: Der neue Teich
Eine große Verbesserung kam 2024 – in Form eines neuen, professionell angelegten Feuchtbiotops. Der Teich misst 90 Quadratmeter, ist tief genug, um im Winter nicht zuzufrieren, und verfügt über flache Uferzonen, über die Tiere leicht ein- und auswandern können. Seerosen und seltenere Wasserpflanzen wie Wasserminze und Schwanenblume entziehen dem Biotop Nährstoffe, schützen vor zu viel Sonneneinstrahlung und bieten Rückzugsorte für die Wassertiere.
„Wir möchten uns bei der BILLA Stiftung Blühendes Österreich für die Finanzierung bedanken. Die Schmetterlingswiese profitiert von der Zusammenarbeit, durch die der neue Teich realisiert wurde,“ sagt Marion Jaros, Initiatorin des preisgekrönten Umweltbildungsprojekts VANESSA, welches Workshops und Führungen für Kinder anbietet.
Das Besondere: Der Teich ist über eine unterirdisch verlegte Leitung mit dem Irissee verbunden – dieser wird mit Donauwasser gespeist. So kann sparsam und gezielt Wasser im Teich aufgefüllt werden. Wenn im August die Blühwiesen drohen auszutrocknen, kann nun gegengesteuert werden – mit nachhaltigem Wassermanagement statt Notlösungen.
Auch Umweltanwältin Iris Tichelman zeigt sich über den Projektabschluss erfreut: „Ich freue mich sehr, dass der Teich vor der heißen Jahreszeit fertiggestellt wurde und die vielen verschiedenen und teilweise auch geschützten Arten, die auf der Schmetterlingswiese vorkommen, nun von dem Wasser profitieren können. Für die Wiener Umweltanwaltschaft ist die Schmetterlingswiese ein ganz besonderer Ort, denn hier findet seit über 20 Jahren unser Umweltbildungsprojekt „VANESSA“ statt. Tausende Kinder konnten bereits die Vielfalt der Natur erleben und lernen, warum es so wichtig ist, diese zu schützen.“
Geschützt durch Zäune – geöffnet für die Natur
Ein niedriger Zaun schützt das Biotop – vor allem vor badenden Hunden, die dabei die Wassertiere stören oder Laichschnüre aus dem Wasser ziehen. Seit seiner Errichtung wird der neue Teich schon eifrig von Libellen, Wasserfröschen und weiteren Tieren besiedelt. Man darf gespannt sein, ob sich nun auch weitere neue Arten auf der Wiese ansiedeln werden. Schon letztes Jahr konnte man abends junge Waldohreulen beim Jagen auf der Wiese beobachten.
Von der Natur lernen – mit Kopf, Herz und Händen
Doch das Projekt ist mehr als Artenschutz – es ist gelebte Bildung. Über 20 Lehrlinge der Wiener Stadtgärten beteiligten sich unter der Leitung von Doris Demuth. Mit über 300 Arbeitsstunden halfen sie aktiv an der Teicherrichtung und an der Wiesenpflege mit, insbesondere bei der Entbuschung der Fläche. „Für die Lehrlinge war es eine spannende Aufgabe, den Teich und die Wiese gemeinsam so zu gestalten, dass sie ökologisch wertvoll sind“, so Doris Demuth, Leiterin Ausbildung und Schulgarten Kagran der Wiener Stadtgärten.
Dabei lernten sie viel über das wertvolle Zusammenspiel von ökologisch ausgerichteten Feuchtbiotopen mit diversen anderen Wiesenbewohnern. „Das ist Bildung im besten Sinne“, sagt Ronald Würflinger von der Stiftung Blühendes Österreich. „Hier wird Biodiversität nicht nur geschützt, sondern verstanden. Wir möchten den engagierten Lehrlingen an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihren Einsatz danken.“
Von „einem Best Practice Projekt zur Förderung der Artenvielfalt in einer Millionenstadt“, spricht Robert Nagele, Vorstand Blühendes Österreich und der BILLA AG, „Es freut mich, dass dieses Projekt eine gelebte und erfolgreiche Kooperation zwischen unserer privatwirtschaftlichen Biodiversitäts-Initiative Blühendes Österreich, den Wiener Stadtgärten und der Wiener Umweltweltanwaltschaft ist. Dieses Projekt sehe ich als wertvollen Baustein für Biodiversitätsschutz in einer der lebenswertesten Städte der Welt.“
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Dokumentierte Arten im Donaupark auf der Online-Plattform iNaturalist