Jedes Frühjahr kehren sie aus ihren Winterquartieren südlich der Sahara nach Mitteleuropa zurück: Rauchschwalben, die in offenen Ställen und Scheunen ihre Nester zwischen Holzbalken bauen. Doch während sie Jahr für Jahr dieselben Brutplätze ansteuern, verändert sich ihr Lebensraum – mit spürbar negativen Folgen für ihre Bestände. Durch das Verschwinden artenreicher Blühwiesen fehlt ein reiches Angebot an Insekten und die Schwalben finden kaum noch ausreichend Nahrung. Doch nicht nur das Nahrungsangebot wird knapper. Auch geeignete Brutplätze, an denen sie ihre kunstvollen Nester bauen könnten, werden seltener. Durch die Modernisierung alter Ställe und Scheunen werden Einflugmöglichkeiten für Rauchschwalben verschlossen bzw. gehen diese Gebäude gänzlich verloren, wenn die Nutztierhaltung aufgegeben wird. Dabei dienen Ställe nicht nur als geschützte Nistplätze für die zugluftempfindlichen Vögel, sondern auch als wichtige Jagdreviere bei schlechtem Wetter. „Anders, als ein weitverbreitetes Gerücht behauptet, sind Rauchschwalben in Viehställen nicht nur erlaubt, sondern sogar willkommen, denn sie helfen bei der natürlichen Insektenkontrolle und tragen so auch indirekt zum Tierwohl bei“, erklärt Christina Nagl von BirdLife. Doch selbst wenn ein möglicher Brutplatz vorhanden ist, steht oft die nächste Herausforderung bevor, denn was sie für ihren Nestbau brauchen, finden Schwalben in ihrem Lebensraum – nicht zuletzt durch die trockeneren Sommer – immer seltener: feuchten, formbaren Lehm.
Wenn das Baumaterial fehlt
Täglich werden in Österreich rund fünfeinhalb Hektar Fläche versiegelt – dort, wo früher Wiesen, Äcker oder unbefestigte Wege lagen. Zwischen Asphaltdecken und Pflastersteinen fehlen nun die offenen, feuchten Bodenstellen, an denen sich Lehm bilden kann. Selbst dort, wo noch unbefestigter Boden vorhanden ist, trocknet dieser in zunehmend heißen und regenarmen Sommern schneller aus. Auch die Verbauung natürlicher Flussufer wirkt sich negativ aus: Verlandungszonen verschwinden und mit ihnen nicht nur wichtige Lebensräume für zahlreiche Tiere und Pflanzen, sondern auch viele lehmige Stellen. Was früher fast überall zu finden war, wurde zur Ausnahme. Doch genau diesen feuchten, formbaren Lehm brauchen Schwalben für ihren Nestbau. Sie formen daraus stabile Halbkugeln, die an Wänden oder unter Dachvorsprüngen halten und auch Wind, Regen und Hitze trotzen. Der Lehm dient dabei als Klebstoff und Baumaterial zugleich. Je nach Schwalbenart wird er manchmal zusätzlich mit Stroh oder feinen Halmen vermischt. Für den Nestbau sind zahlreiche Flüge und viel Geduld nötig. „Rauchschwalben bauen ihre Nester aus über tausend kleinen Lehmklümpchen, die sie mit dem Schnabel von Lacken oder Gewässerrändern holen“, erklärt Christina Nagl. Jedes einzelne wird mit dem Schnabel geformt, mit Speichel vermengt und zum Nistplatz geflogen. Liegt die Lehmstelle zu weit entfernt, trocknet das Kügelchen unterwegs aus und zerfällt. Spätestens ab einer Distanz von rund 300 Metern wird der Nestbau so zur Zerreißprobe. Doch mit einer kleinen Maßnahme kann den Vögeln unter die Flügel gegriffen werden: „Damit die Vögel Baumaterial für ihre Nester finden, kann mit einfachen Schritten eine kleine Lehmlacke angelegt werden. Die liefert dann den perfekten Kleber für den Nestbau“, empfiehlt Nagl.

Altes Nest, neues Leben
Doch es muss nicht immer ein Neubau sein. Schwalben sind brutplatztreu. Sie kehren oft über Jahre hinweg an denselben Ort zurück und nutzen vorhandene Nester erneut. Als geschickte Sanierer flicken sie Risse, bessern aus und verstärken beschädigte Stellen – vorausgesetzt, es ist ausreichend feuchter Lehm vorhanden. „Bestehende Nester werden nach Möglichkeit wiederverwendet, aber jedes Jahr ausgebessert und ausgebaut und die Auspolsterung erneuert“, erläutert Nagl. Was in unseren Augen alt oder unvollständig wirkt, ist für Schwalben oft noch völlig brauchbar. Ein bestehendes Nest spart Zeit und Energie und kann zum sicheren Ausgangspunkt für eine neue Brut werden. Deshalb sollte es unbedingt erhalten bleiben. Das mutwillige Entfernen oder Zerstören von Schwalbennestern ist nicht nur ökologisch problematisch, denn Schwalben und ihre Nester stehen unter Schutz. „Ihre Nester stehen unter ganzjährigem Schutz und dürfen laut den Naturschutzgesetzen der Länder nicht entfernt werden“, so Nagl. In manchen Regionen werden sie noch heute als Glücksboten geschätzt. Mit ihrer Rückkehr ab Ende März bringen Schwalben mehr als nur den Frühling mit sich. Sie gelten vielerorts als Vorboten eines guten Jahres.
Zwischen Rückkehr und Aufbruch
Nach der langen Reise aus ihren Überwinterungsgebieten südlich der Sahara brauchen sie Nahrung und Zeit, um neue Kräfte zu sammeln. Ab Mitte April, abhängig von der Witterung, beginnen sie mit dem Bau oder der Sanierung ihrer Nester. Je nach Zustand des Nestes und der Verfügbarkeit von Baumaterial kann diese Arbeit mehrere Tage, manchmal auch Wochen dauern. Ist das Nest fertig, legt das Weibchen ab Mitte Mai drei bis sechs Eier. Rund zwei Wochen später schlüpfen die Jungen. Bis zu 24 Tage bleibt der Nachwuchs im Nest und wird von den Altvögeln mit Insekten versorgt, bis die Jungtiere flügge sind. Schwalben sind wahre Flugkünstler. Mit ihren schnellen, wendigen Manövern erwischen sie selbst die kleinste Beute im Flug. Im Jagdmodus erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometern pro Stunde – bei günstigen Bedingungen sogar mehr. Ihre gegabelten Schwanzfedern sind nicht nur ein markantes Erkennungsmerkmal, sondern vor allem ein präzises Steuerruder. Sie ermöglichen abrupte Richtungswechsel, enge Kurven und das blitzschnelle Abtauchen über Wiesen und Feldern. Im Herbst beginnt ihre lange Reise in den Süden. Zurück bleiben ihre Nester – gezeichnet vom Sommer, bereit für das nächste Jahr. Für jene, die im Frühling wiederkehren. Mit leerem Schnabel und auf der Suche nach Lehm.
