Das Projekt „Wie Zukunft g’schmackig bleibt – von A wie Apfelblüte bis Z wie Zauneidechse“ zeigt eindrucksvoll, wie Bildung und Biodiversität ineinandergreifen. Es wurde von der Initiative #streuobst als eines der besten Projekte ausgezeichnet und von der BILLA-Stiftung Blühendes Österreich gefördert.
Lernen mit allen Sinnen
Wenn in Klessheim neue Obstbäume gepflanzt werden, helfen viele Hände mit. So auch im Herbst 2024. Dank der #streuobst-Initiative wird der Obstgarten der Schule mit 16 alten, robusten Sorten neu belebt – und auch bedrohte Tiere finden Lebensräume: Neu geschaffene Insektenhotels sowie Stein- und Holzhaufen bieten Nistplätze und Winterquartiere.
Rund 300 angehende LandwirtInnen erfahren in Theorie und gelebter Praxis, dass nachhaltige Landwirtschaft nicht mit Maschinen beginnt, sondern mit Bewusstsein – für Boden, Bäume und Biodiversität.
„Man muss die Sensibilität wecken, denn ein Apfelbaum ist ein ganzes Ökosystem. Die Schüler sollen erkennen, dass es nicht nur um Blüten und Äpfel geht, sondern auch um die Erde darunter, um das Leben rundherum – vom Lebensraum Baum bis zur Streuobstwiese als Hotspot der biologischen Vielfalt“,
sagt Lehrerin und Projektinitiatorin Marianne Nöbauer.
Bedrohtes Naturjuwel fest im Lehrplan verankert
Zwischen Schloss Klessheim, Stall und Stadtverkehr entsteht ein Lernraum, der zeigt, was nachhaltige Landwirtschaft bedeutet. „Die Liebe und Achtung vor der Streuobstwiese ist bei uns im Lehrplan verankert – das finde ich wunderschön“, sagt Nöbauer, die selbst auf einem Bauernhof in Kitzbühel aufgewachsen ist und den unbezahlbaren Wert dieser Lebensräume mit Überzeugung weitergibt. Denn: „Damals war das Obst etwas Kostbares. Es wurde gedörrt, verarbeitet – nichts wurde verschwendet. Heute spüren wir eine Rückkehr zu diesem Bewusstsein.“
Hier wuselt das volle Leben
Wildbienen summen an den Blüten, Schmetterlinge flattern über die Blumenwiese, Igel verstecken sich im Laub, Eidechsen wärmen sich auf den Steinen. Zwischen den Baumreihen finden zahlreiche Arten Nahrung, Schutz und Nistplätze. Dieser besondere Lernort eint Kulturlandschaft und Naturschutz. Und diese Oase wächst.
Im Rahmen des Projekts wurden 16 neue Obstbäume gepflanzt – eine Mischung aus alten Sorten und robusten, mehltauresistenten Neuzüchtungen wie der „Rewana“. Ergänzt werden sie durch Strukturen wie Steinhaufen, Trockenmauern und Holzinseln, die die SchülerInnen selbst angelegt haben. So entstehen Rückzugsorte für Amphibien und Reptilien, die im Jahreslauf beobachtet werden können.
„Unser Obstgarten ist mittlerweile ein echtes Aushängeschild vor der Schule – da summt und blüht es! Ein lebendiges Habitat für Vögel, Insekten, Amphibien und Reptilien“, sagt Nöbauer stolz.
Diese direkte Begegnung mit der Natur wirkt nachhaltig: Die Jugendlichen erkennen, dass jeder Baum Teil eines größeren Ganzen ist – und dass Klima, Artenvielfalt und Ernährung untrennbar zusammenhängen. „Ich sage den SchülerInnen oft: Schaut, was fehlen würde, wenn der Baum bei euch zu Hause verschwände – der Schatten, das Summen der Insekten, das Zwitschern der Vögel. All das ist Leben, das sich um den Baum versammelt.“
Bäume für Generationen
Wenn die jungen BäuerInnen in Klessheim über die Bedeutung der Streuobstwiesen lernen, erkennen sie, dass diese Landschaft auch Teil ihrer eigenen Geschichte ist. „Ich erinnere die SchülerInnen immer wieder daran, wie schade es ist, alte Obstbäume umzuschneiden. Oft hat sie der Opa gepflanzt – da steckt Geschichte drin, 80 Jahre und mehr. Diese Wertschätzung möchte ich weitergeben“, erzählt Nöbauer.
Die angehenden LandwirtInnen lernen nicht nur, wie man Obst anbaut, sondern auch, wie man es verwertet – vom Rohstoff bis zum regionalen Produkt. Sie entwickeln Ideen, testen Rezepturen aus der Obsternte und überlegen, wie sich Erzeugnisse vermarkten lassen. Denn Diversifizierung ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. „Es geht darum, Ressourcen zu nutzen, Nischen zu finden und gute Produkte zu schaffen – für uns, für die Region und für die Lebewesen am Hof“, betont Nöbauer.
Aufwind für bedrohte Streuobstwiesen
„In den 1970er- und 1980er-Jahren galten Streuobstwiesen als lästig – zu pflegeintensiv, den Maschinen im Weg. Der Großteil wurde zerstört. Heute erkennen viele wieder, wie wertvoll sie sind. Die Talsohle ist erreicht – Streuobstwiesen haben Rückenwind. Die Menschen schätzen das Echte, das Regionale“, sagt Nöbauer zuversichtlich.
Diese Haltung prägt den Unterricht in Klessheim. Zwischen Praxis, Fachkunde und Projektarbeit erfahren junge Menschen, dass Verantwortung Freude machen kann – und dass jeder Schnitt, jede Pflanzung, jedes Glas Saft Teil einer größeren Geschichte ist.
„Ein Same ist gesät – und wenn später ein ehemaliger Schüler anruft, weil er Obstbaumschnitt lernen will, dann weiß ich: Die Saat ist aufgegangen.“
Und sie wächst weiter: Jedes Jahr werden neue Bäume gepflanzt, gepflegt und geerntet – von neuen Schülergenerationen, die das Wissen ihrer Vorgänger weitertragen. So bleibt die Streuobstwiese in Klessheim lebendig – und mit ihr das Bewusstsein für Natur, Vielfalt und Verantwortung.
Über #streuobst
Die BILLA-Stiftung Blühendes Österreich, die ARGE Streuobst Österreich und die BILLA Regioscouts rufen mit #streuobst Projekte ins Leben, die den Erhalt artenreicher Streuobstwiesen fördern. Seit 1965 sind rund 80 % dieser Lebensräume in Mitteleuropa verschwunden. Der Wettbewerb unterstützt Initiativen, die Biodiversität sichern, Wissen weitergeben und regionale Landwirtschaft stärken.
Ausgezeichnet wurde auch die Landwirtschaftliche Fachschule Klessheim: Ihr Projekt „Wie Zukunft g’schmackig bleibt“ überzeugte die Jury und wurde gefördert – ein Vorzeigeprojekt dafür, dass Nachhaltigkeit dort am besten gedeiht, wo junge Menschen lernen, sie mit Herz und Hand zu gestalten.